Besucher  

Heute 112

Gestern 178

Woche 769

Monat 2816

Insgesamt 366327

Kubik-Rubik Joomla! Extensions

   

Newsletter  

Aktuelle Informationen und Termine der SBI

   

Zeit zum Aufstehen • Ein Impuls für die Zukunft der Kirche

Die Initiatoren von „Zeit zum Aufstehen“ hatten 2014 als Beitrag zum Reformationsjubiläum sieben Impulse für die Zukunft der Kirche veröffentlicht. Der erste Impuls widmet sich in besonderer Weise Karfreitag und Ostern. Wir veröffentlichen dazu einen Kommentar von Johannes Berthold, Moritzburg.

Jesus Christus ist der Sohn Gottes.
Er ist für uns am Kreuz gestorben und auferstanden.


Wir stehen ein für die Einzigartigkeit von Jesus Christus. Allein an ihm entscheidet sich das Heil aller Menschen. Wir stehen auf für Jesus Christus und gegen alle Lehren, die die Versöhnung durch seinen Tod am Kreuz in Frage stellen und seine leibliche Auferstehung leugnen.

Die berühmte US-amerikanische Schauspielerin Jane Fonda und der ehemalige Erzbischof von Canterbury unterhielten sich Mitte der 70iger Jahre in einer Talkshow über das Christentum. Der Erzbischof sprach davon, wie wichtig Jesus Christus für die heutige Welt sei. Jane Fonda äußerte sich skeptisch. Da sagte der Erzbischof: Nun, er ist der Sohn Gottes, wie Sie wissen.” Jane Fonda entgegnete nur: "Vielleicht ist er das für Sie, aber nicht für mich.” Der Erzbischof erwiderte: Entweder er ist es oder er ist es nicht.”

Mit dieser Alternative ist die Ausgangslage exakt beschrieben. Wenn Christus nicht Gottes Sohn ist – gut, dann ist er es nicht. Doch wenn er es ist, dann ist er das für alle, ob sie es glauben oder nicht; so wie sich die Erde um die Sonne dreht unabhängig davon, ob wir dies glauben oder nicht.  

Nun vertrat der Erzbischof in diesem Gespräch nicht seine private Meinung, sondern er benannte die zentrale Perspektive des Neuen Testament: Die mit Freude bezeugte Gewissheit, dass wir es in dem historischen Menschen Jesus von Nazareth mit Gott selbst zu tun haben. In dieser "Identität" mit Jesus Christus "ist Gott das eigentliche Geheimnis der Welt" (Eberhard Jüngel). Damit ist die Einzigartigkeit Jesu ausgesagt, von der die Kirche zu allen Zeiten und in allen Kultur Rechenschaft abzulegen hat. Was bedeutet das gegenüber der postmodernen Kultur des Pluralismus und des Relativismus? 

Jesus Christus ist der Sohn Gottes

Wir sind in dieser Rechenschaft zunächst an das Zeugnis des Neuen Testamentes gewiesen. Die historisch-kritischen Wissenschaft hat sich der Person Jesu mit einer Aufmerksamkeit gewidmet wie sonst keiner anderen Gestalt der Antike. Über Jahrzehnte hinweg herrschte dabei das Grundmodell eines Bruchs zwischen dem vorösterlichen Jesus von Nazareth und dem nachösterlich verkündigten Jesus als Messias, dem Christus. Den Evangelien könne man kaum noch etwas von dem entnehmen, was der historische Jesus wirklich gedacht, gesagt und getan habe.  Seine Geschichte sei ganz und gar von der nachösterlichen Überlieferungsgeschichte übermalt worden. 

Aus dieser historischen Not versuchte man bisweilen, eine Tugend zu machen. Schon Paulus habe ja gemeint, wir kennen "Christus nicht mehr nach dem Fleisch" (2. Kor. 5,16). Der Glaube an Christus käme also auch ohne historische Fakten und Sicherheiten aus. Doch ein solcher Glaube ohne Geschichte war wenig überzeugend; er wirkte eher wie ein Reckumschwung ohne Reck.

Gegenwärtig ist nun die historisch-kritische Bibelauslegung in einem bemerkenswerten Wandel begriffen. Sie entfernt sich mehr und mehr von den überspitzten Prämissen des Historismus des 19. Jahrhunderts und nähert sich dem Standard der allgemeinen Altertumswissenschaften, die froh wären, wenn sie über Persönlichkeiten der Antike so viele Informationen hätten wie über Jesus von Nazareth. So geht man wieder ganz neu von einer inneren Kontinuität zwischen dem vorösterlichen Jesus und dem nachösterlichen Christus aus. In einem solchen Grundvertrauen zur biblischen Überlieferung lassen sich dann auch die Worte und Taten Jesu klar beschreiben: Das Reich Gottes und damit Gott selbst ist nahe herbeigekommen; es ist an der Zeit, umzukehren und sein Leben neu auszurichten. Gott setzt nicht erbarmungslos sein Recht durch, vielmehr sucht er die Verlorenen und Ausgegrenzten. Die religiöse Fundamentalunterscheidung rein – unrein gilt nicht mehr, Jesus praktiziert Mahlgemeinschaft  mit Menschen, die normalerweise von Mahlzeiten mit Juden ausgeschlossen waren. Er mutet seinen Nachfolgern zu, angesichts des Kommens des Reiches eine neue Ethik zu leben. In einzigartiger Autorität tritt er an die Stelle Gottes, wenn er etwa in Mk 2,5 zu dem Gelähmten sagt: ”Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.” Auch herrscht Übereinstimmung darüber, dass Jesus von Nazareth Wunder getan hat, die den Anbruch des Reiches Gottes in seiner Person bis ins Leibliche hinein erfahrbar machten: Krankheiten müssen weichen und Menschen werden ihrer schöpfungsgemäßen Bestimmung zugeführt.

Vor allem ist klar erkennbar, dass Jesus bereits vorösterlich in einer einzigartigen Verbindung zu Gott stand und aus dieser heraus auch sich selbst zum Inhalt seiner Verkündigung machte. Der jüdische Gelehrte Jacob Neusner hat dies in einem fiktiven Dialog auf den Punkt gebracht. In einem seiner Bücher ist er mit Christus einen Tag lang  unterwegs durch Galiläa, hört und sieht, was dieser spricht und tut. Am Abend aber bespricht er sich mit einem weisen Rabbi, um alles an der Thora zu prüfen. Da heißt es: ”'Und dies', fragt der Meister, 'hatte Jesus, der Gelehrte zu sagen?' Ich: 'Nicht genau, aber ungefähr.' Er: 'Was hat er weggelassen?' Ich: 'Nichts'. Er: 'Was hat er dann hinzugefügt?' Ich: 'Sich selbst.'”(Jacob Neusner, Ein Rabbi spricht mit Jesus. Ein jüdisch-christlicher Dialog, Claudius Verlag, München 1997 S. 114)

All das zeigt: Die Faszination und Einzigartigkeit der Person Jesu von Nazareth ist zweifellos vorösterlichen Ursprungs. Nicht die Überlieferungsgeschichte siegte über die Geschichte, sondern die Überlieferungsgeschichte zeugt von einem lebendigen und wirkungsvollen Erstimpuls des historisches Jesus.

Er ist für uns am Kreuz gestorben…

Schon zu Lebzeiten sprach Jesus davon, der "Menschensohn" müsse "viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen."  (Mk 8,31). Diese Rede musste auf einen tiefen Widerstand stoßen, zuallererst bei seinen Anhängern selbst. Gerade sie, die Jesus begleiteten, konnten das Sterben Jesu am Kreuz nur in stiller Verzweiflung und Sinnlosigkeit erleiden. Den ”heilsamen” Sinn des Geschehens begriffen sie erst in der Begegnung mit dem Auferstandenen selbst, der ihnen die Schrift aufschloss und mit ihnen das Brot brach (Lk 24,26). Aus solchen Begegnungen erwuchsen sehr bald die ältesten urgemeindlichen Bekenntnissätze, die im Sterben Jesu nicht mehr eine Torheit oder Ärgernis, sondern ein Heilsereignis sahen: Christus sei stellvertretend "gestorben für unsere Sünden nach der Schrift" (1. Kor. 15,3).

Über dieses Bekenntnis konnte Martin Luther noch unbeschwert dankbar sein, wenn er bekennt, Gott habe in Jesus Christus ihn verlornen und verdammten Menschen erlöset…, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels; nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben.” (Erkl. zum 2. Artikel des Glaubensbekenntnisses)

Doch bald schon sahen viele in einem solchen "Opfertod" Christi am Kreuz nur noch ”primitive Mythologie”. Der junge David Friedrich Schleiermacher (gest. 1834)  – selbst im Geist des herrnhutischen Pietismus erzogen -  protestierte in einem Brief an seinen Vater: "Ich kann nicht glauben,… dass sein Tod eine  stellvertretende Versöhnung war." In diesem Sinne werden auch heute viele Passionslieder als unzumutbar, die Predigt am Karfreitag als immer notvoller empfunden.

  1. a) Protest erhebt sich zunächst im Namen des Gottesbildes. Braucht Gott denn ein solches Opfer, um vergeben zu können? Ist das nicht das dunkle und schreckliche Bild eines heidnischen Götzen, der erst vergibt, wenn er Blut sieht? Ist das wirklich der Gott, den Jesus verkündigt hat? 

Nun begegnet uns in der Bibel nirgends ein Gott, der erst durch Opfer besänftigt werden muss. Und wenn es im Alten Testament um Sühne geht, ist Gott nicht der Empfänger einer von Menschen vollzogenen Sühne, also das ”Objekt”, sondern das ”Subjekt” der Sühne, die er selbst gnädig vollzieht. Sühne ist ein Heilsgeschehen” (Gerhard von Rad)  – Ausdruck von Gottes Treue und Liebe zu den Menschen. Im Blick auf den Tod Jesu Christi am Kreuz heißt das: Christus kam und starb nicht, damit Gott uns liebt; sondern er kam und starb, weil Gott uns liebt (Joh 3,16). Das Kreuz ist Ausdruck von Gottes Liebe und nicht ihre Bedingung!

Auch bewirkt in Christus nicht ein Mensch die Versöhnung Gottes, sondern Gott die Versöhnung der Menschen. Alles hängt hier an der Einzigartigkeit Jesu eben als Gottes Sohn! Gott selbst war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst… und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu”. Es findet also kein "Menschenopfer”  statt – das war schon im Alten Testament grundsätzlich verboten!  Vielmehr "opfert" Gott sich selbst für die Menschen! Alle Schuld der Welt fällt auf Gott in Christus” – auf ihn, der von keiner Sünde wusste” (2. Kor 5,19ff.). 

  1. b) Hier aber erhebt sich der Protest im Namen des Menschenbildes. Denn warum sollte der Mensch ein solches Opfer nötig haben? Machen wir ihn hier nicht schlechter als er ist – zum vielzitierten „armen, elenden, sündigen Menschen“ (Martin Luther)? Ist das nicht das dunkle und pessimistische Bild eines Menschen, der lediglich auf seine Fehler und Defizite reduziert wird?

Nun ist die Sprachform des „armen, elenden, sündigen Menschen“ die eines persönlichen Bekenntnisses, das auch mit Martin Luthers Verzweiflung an sich selbst zu tun hat. Wer diese Worte mitspricht, ist ebenfalls erschrocken über die eigene und fremde Widersprüchlichkeit: Dass wir Dinge wollen oder tun, deren Torheit offen zutage liegt; dass wir Abgründe in uns spüren, die uns zurückschrecken lassen; und dass das Böse sich gern dort einnistet, wo wir es am allerwenigsten vermuten – nämlich in unserem besten Streben, das allzu oft nur mit sich selbst beschäftigt ist. Ein moralischer Sündenbegriff reicht hier nicht aus, um unsere Not zu beschreiben. Denn die Sünde besteht nicht nur aus unseren Handlungen, sie prägt unsere ganze Existenz! Tief erschüttert von dieser Einsicht fragt Anselm von Canterbury (gest. 1109): „Weißt Du nicht, wie schwer die Sünde wiegt?“ Die Erkenntnis, dass Gott in Jesus Christus "für unsere Sünden" stirbt, zerstört unser stolzes Bild von uns selbst, vor allem aber will sie unsere Furcht besiegen und unser Herz gewinnen.

  1. c) Die Kritik an dem "Sühnopfer" Jesu entzündet sich schließlich an einem empfundenen Gegensatzes zwischen Liebe und Recht. Die am Kreuz geoffenbarte Liebe Gottes brauche doch weder Sühnetheorien noch Rechtskategorien – auch kein Strafrecht! Sie vergibt einfach aus Liebe!

Nur wird man bedenken, dass die Liebe das Recht nicht einfach aufhebt - sie hat es ja erst gesetzt! Die Liebe gewährt Freiheit, benennt aber auch Grenzen, die wir nicht ”ungestraft” überschreiten. Das Überschreiten dieser Grenzen schafft eine Wirklichkeit, schafft auch Täter und Opfer. Die Opfer aber schreien nach Recht und Gott hört ihr Schreien (2. Mo 3,7 ). Er solidarisiert sich mit ihnen, holt sie mit all ihren Verletzungen in die Gemeinschaft zurück. Die Täter aber grenzt er aus und zieht sie zur Verantwortung. Wenn die Bibel von Gott als Richter spricht, dann als dem Retter, der das gestörte Recht wieder aufrichtet. Und wenn sie von seinem Zorn spricht, dann als Anwalt der Menschlichkeit. Solche Rede vom Gericht und vom Zorn Gottes ist unaufgebbar - es sei denn um den Preis eines leidenschaftslosen Gottes, teilnahmslos gegenüber unseren Freuden und Leiden und Verbrechen.

Nun schafft menschliche Schuld nicht nur eine Wirklichkeit, die gegen Menschen, sondern auch gegen Gott selbst steht und uns von ihm trennt. Die alte Geschichte vom Sündenfall (1. Mose 3) beschreibt die Folgen dieser Trennung als Angst und Scham, als Verlust des Vertrauens zu Gott und als Vertreibung aus dem Paradieses - jener ungebrochenen Gemeinschaft mit Gott, zu der der Mensch erschaffen wurde. Diese Trennung ist von Seiten des Menschen unumkehrbar - es sei denn Gott selbst versöhnt "die Welt mit sich selbst"  (2. Kor 5,19).

Wie Gott am Kreuz sowohl seine Liebe als auch sein Recht offenbart - dafür werden im Neuen Testament verschiedene Deutekategorien verwendet. Ganz unmittelbar mag uns heute das Bild vom ”Schuldbrief” ansprechen, der ”zerrissen” wird (Kol 2,14). Wollte in der Antike ein Mensch seine Schulden bezahlen, ging der Gläubiger mit dem Schuldner zum Richter, der den Schuldschein in einem Krug deponiert hatte. War die Schuld bezahlt, wurde dieser vor allen Augen zerrissen. Dieser Rechtsakt im damaligen Bankenwesen ist uns auch in der gegenwärtigen Schuldenkrise vertraut. Auch hier kommt niemand auf den Gedanken, über den durch Gier und Leichtsinn entstandenen Schaden nur  liebevoll hinwegzusehen. Stattdessen werden verzweifelt ”Rettungsschirme” konstruiert; und selbst wo man an Entschuldung denkt, geht das nicht ”ohne Opfer”, die dann andere bringen müssen.

Im Blick auf das Kreuz Jesu Christi bekennen wir, dass Gott angesichts der unermesslichen ”Schuldenkrise” des Menschen die größte Rettungsaktion der Geschichte vollbringt, indem er aus seiner Liebesmacht heraus das gestörte Recht wieder herstellt” und ”durch sein schöpferisches Erbarmen den Menschen gerecht macht und so eine Gerechtigkeit übt, die zugleich Gnade ist." (Joseph Ratzinger) In diesem Heilshandeln ist Gott beides - Richter und Retter, Stifter und Empfänger der Sühne. Wir können das eine nicht von dem anderen trennen, denn Versöhnung gibt es im Neuen Testament nur als  Versühnung. In diesem Sinne ist Gott der "versöhnte Versöhner" (Hans-Georg Pöhlmann), der in Jesus Christus die Konsequenzen unseres verkehrten Lebens auf sich nimmt, alle Menschenschuld und alles Menschenleid trägt und sich für uns opfert. Er selbst nimmt den bitteren Kelch, doch uns reicht er den Kelch des Heils, gefüllt mit Wein – dem Getränk des Festes und der Freude. 

 

… und für uns auferstanden

Das alles gilt aber nur, wenn Christus wirklich auferstanden ist! Im Streit um die Auferstehung mit den Korinthern schreibt Paulus deshalb: "Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen."  (1. Kor 15,17-19.)  Für Paulus ist Jesu Auferstehung  nicht nur eine  Perle, sondern die Schnur selbst, ohne die alle anderen Perlen verloren gehen. 

Zweifellos bleibt Auferstehung Jesu eine Zumutung an unser Denken. Wir versuchen zu Verstehen, ohne gleich alles zu begreifen, denn gewisse Dinge verstehe ich nicht mehr, wenn ich sie begriffen habe.” (H. Waggerl). Auf alle Fälle bemühen sich die neutestamentlichen Zeugen wieder darum, präzise die ”Fakten” zu benennen – wohl wissend, dass diese nur den historischen Rand beschreiben, nicht das Ereignis selbst beschreiben.

Zu den Fakten gehört das leere Grab, das selbst die Gegner Jesu bezeugen. Doch zeigt das von ihnen gestreute Gerücht, die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen, dass das leere Grab allein noch keinen Auferstehungsglauben begründete. Zu den Fakten gehören aber auch die Berichte über Begegnungen mit dem Auferstandenen, die in sich aber merkwürdig widersprüchlich sind: Man erkennt den Herrn und erkennt ihn doch wieder nicht; berührt ihn und kann ihn doch nicht fassen; er ist derselbe und doch ganz anders. Dies alles ist irritierend – zu irritierend, um an eine absichtsvolle Erfindung zu denken. So paradox es klingt: Gerade die Widersprüche werden zu einem Beleg für die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Offenbar geht es um die Irritation angesichts einer Wirklichkeit, die irdisch nicht mehr zu fassen war. Deshalb stammelt die Sprache und aus dem Stammeln formen sich – wie bei Thomas - die ersten Bekenntnisse. Mein Herr und mein Gott!” (Joh 20,28)

Gerade dieses Bekenntnis des zweifelnden Thomas zeigt, dass die Begegnungen mit Jesu für die Urgemeinde zum christologischen ”Urknall” wurden. Sie machten offenbar, wer Christus wirklich ist: Mir ist gegeben alle Vollmacht im Himmel und auf Erden... Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt.” (Mt 28,17ff.).

Diese Worte – aus der Mitte des Weltalls gesprochen – offenbaren den Gekreuzigten als den Sinn und das Ziel aller Geschichte. Gott hat in der Auferstehung zu Jesus  Christus sein ewiges JA gesprochen. Es ist das JA zu einer Liebe, die immer nur suchte und rettete, was verloren ist” (Lk19,10) Am Kreuz scheint diese Liebe zu scheitern. Im Lichte der Auferstehung aber ist das Kreuz nicht mehr das Scheitern, sondern die Vollendung dieser Liebe. Sie hat das Böse besiegt, die Sünde erledigt, ja den Tod entmachtet. Es war gerade das leere Grab, das in der frühen Kirche den Glauben an eine wirkliche Auferstehung des Leibes formte. Interessant, dass Paulus dafür das Wort ”Metamorphose” (1. Kor 15,51) wählte, mit dem schon die Antike die "Verwandlung" einer Raupe in einen Schmetterling bestaunte. So muss ja alles gut werden, weil Christus auferstanden ist.” (Sören Kierkegaard). Jetzt, da ihm alle ”Vollmacht” gegeben ist, wird er nicht eher ruhen, bis diese aus so vielen Wunden blutende Welt verwandelt sein wird in einer neuen Schöpfung.

 

Die Einzigartigkeit Jesu und der postmoderne Relativismus

All das sind Aussagen, die von jener tragenden und herrlichen Wahrheit zeugen, dass "in keinem andern das Heil, auch kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben (ist), durch den wir sollen selig werden." (Apg. 4,12) Doch droht heute genau diese Wahrheit unter dem herrschenden Denken des Relativismus abhanden zu kommen. Die Wirklichkeit, das Ding ”an sich” (Immanuel Kant), sei ja nicht zu erkennen, heißt es. Statt mit Tatsachen hätten wir es doch immer nur mit Interpretationen zu tun, die alle relativ sind. Alle Wahrheits- und Absolutheitsansprüche, so die Forderung, müssen daher ablehnt werden. Die Wahrheit ist, dass es keine Wahrheit gibt.

Die Grenze solchen Erkennens beziehe sich dabei auf alles - auch auf das Göttliche. Es sei deshalb nicht möglich, eine einzelne historische Gestalt - und sei es Jesus von Nazareth -  mit der letzten Wirklichkeit selbst, dem lebendigen Gott, zu identifizieren. Jesus wird zu einer der vielen Offenbarungsgestalten relativiert, seine Wahrheit zu einer von vielen religiösen Wahrheiten,  in denen Gott bruchstückhaft erkennbar ist. Oft tritt zu solchem erkenntnistheoretischen Relativismus noch die Feststellung, religiöse Wahrheitsansprüche seien ohnehin immer nur Herrschaftsansprüche, die ein Hass- und Gewaltpotential festschreiben,  das sich in der Geschichte der monotheistischen Religionen immer wieder aktualisiert hat." (Jan Assmann) Die Rücknahme des christlichen Wahrheitsanspruchs spiegelt sich dann wider in dem Verzicht auf jegliche Mission, die nur als religiöse Kolonisation verstanden werden kann. Es ist klar, dass mit solchem Denken die Gestalt Jesu Christi ihre Einzigartigkeit und innere Logik verliert, auch im Blick auf die einmalige Heilsbedeutung seines Todes und seiner Auferstehung.

Nun mündet die Absetzung aller Wahrheitsansprüche im Relativismus allerdings in eine merkwürdige Paradoxie. Denn die Aussage ”alles ist relativ!” ist ja ebenfalls eine absolute Aussage, die so nicht getroffen werden dürfte, wenn "alles relativ" wäre. Die Lehre des Relativismus ist also sowie aufgestellt schon widerlegt” (Husserl). Indem der Relativismus trotz dieses Widerspruchs nun selbst einen absoluten Wahrheitsanspruch erhebt - und zwar in allen Bereichen des Lebens - legt er unbewusst Zeugnis davon ab, dass der Mensch ohne Wahrheit eben nicht leben kann.  

Auch im Polytheismus der Antike hat sich die Wahrheitsfrage immer wieder neu gestellt, bei Sokrates geradezu mit einer zwingenden Logik. Es gibt einen kurzen Dialog mit Eutyphron, dem Priester, der sich im Dialog mit Sokrates immer mehr in Widersprüche verwickelt. Sokrates hatte auf den Krieg der Götter untereinander verwiesen. Schließlich muss Eutyphron auf das bohrende Fragen des Sokrates hin zugeben, dass ein und dieselbe Sache von den einen Göttern gehasst, von den anderen geliebt wird. Auf die Frage "So wäre nach dieser Richtung das Fromme und das Unfromme das Nämliche, Eutyphron?" antwortet er notgedrungen: "So verhält es sich." Sokrates beweist damit, dass der Polytheismus ein Attentat auf die Ethik ist, denn gut und böse werden letztlich ununterscheidbar.  Wenn wir die Wahrheit über Gott nicht erkennen, dann bleibt auch die Wahrheit darüber, was gut ist und was böse ist, unzugänglich. Dann gibt es das Gute und das Böse nicht. Die Rückkehr der Götter, die manche Philosophen... für möglich halten, ist ein Gedankenspiel mit der Barbarei.” (Peter Strasser)

Sokrates selbst setzt gegen den Relativismus der Göttermythen die Wahrheit des "Logos" - des "Wortes" oder der einen "Weltvernunft", in der er das Göttliche ahnte, ohne eine wirkliche Antwort zu finden. Der Erfolg des Christentums lag gerade darin, dass der jüdisch-christliche Monotheismus wie Schloss und Schlüssel zu jener aufgebrochenen Wahrheitsfrage der antiken Welt passte. Im Gespräch mit ihr knüpfte das Christentum an den "Logos" der Philosophen an und identifizierte ihn mit Christus. Zugleich aber bekannte sie diesen "Logos" als "Agape" - als Liebe.  Die Einzigartigkeit Jesu Christi besteht also darin, dass in ihm in einzigartiger Weise Wahrheit und Liebe in eins fallen. Diese Identität von Wahrheit und Liebe ist auch die höchste Garantie der Freiheit und der Toleranz - eines Umgangs mit der Wahrheit, deren einziges Mittel sie selbst und damit die Liebe ist. Eine erzwungene Wahrheit kann keine Wahrheit sein, weil sie der Liebe widerspricht. Denn deshalb hat "Gott, der Schöpfer" uns so frei gemacht, "dass sogar sein Zwingen unsere Liebe nicht erzwingen könnte." Und deshalb will Gott "uns gegenüber allmächtig sein, dass er unser Herz gewinnt durch seine Herablassung im Sohn, im Kreuz des Sohnes. Keine andere Allmacht Gottes kann unser Herz erobern und öffnen." (Emil Brunner)

 

   

Geistliche Impulse  

   

Gebet  

   

Predigten  

   

Aktuelle Veranstaltungen

   

Beachtenswert