Das erste Konzil von Nicäa ist ein Meilenstein in der Geschichte der Kirche und feiert im Jahr 2025 sein 1700. Jubiläum. Die SBI will mit einigen Beiträgen auf die Bedeutung dieses Konzil hinweisen.
Die Situation im Römischen Reich
Die gesellschaftlichen Bedingungen für die Christen änderten sich zu Beginn des 4. Jahrhunderts gravierend. Deshalb soll im ersten Teil der Betrachtung des Konzils vor allem die äußere Situation im römischen Reich in diesen Jahren in den Blick genommen werden.
Unter Kaiser Diokletian begann um 300 n. Chr. eine Neustrukturierung des Römischen Reiches. Das Kaisertum wurde noch stärker sakralisiert, also durch Bindung an die römischen Staatsgötter in eine göttliche Dimension gerückt. Dem folgten viele Christen nicht, weil dies mit dem Glauben an den einen Gott unvereinbar ist. 303 n. Chr. begann eine reichsweite Christenverfolgung: Gottesdienste wurden verboten, christliche Staatsbeamte inhaftiert, den Christen die Ämterrechte entzogen. Viele Bischöfe wurden gefoltert.
Kaiser Galerius setzte diese Politik zunächst fort, ehe er 311 n. Chr. die Verfolgung der Christen einstellen ließ. Schon hier entstanden Versuche, die Christen an den Staat und den Kaiser zu binden.
Nach dem Tod des Galerius setzten Kämpfe um die Nachfolge ein. Eusebius von Caesaraea, ein christlicher Gelehrter und Geschichtsschreiber, berichtet: Konstantin der Große soll die entscheidende Schlacht an der Milvischen Brücke 312 n. Chr. gewonnen haben, nachdem er einige Zeit zuvor am Himmel ein Flammenkreuz gesehen hatte, dazu Zeichen mit der Bedeutung: IN HOC SIGNO VINCES (In diesem Zeichen wirst Du siegen.)
Es kam zu einer Wende in der Staatspolitik. Den Christen wurde erlaubt, ihren Glauben öffentlich zu leben, der Kaiserkult als Zwang wurde abgeschafft, die Kirchen bekamen ihr Eigentum zurück und die Vorrangstellung des christlichen Glaubens wurde immer offenkundiger. Dies führte auch dazu, dass sich immer mehr Menschen dem christlichen Glauben zuwandten, und dies nicht nur aus Glaubensgründen, sondern auch mit taktischen Hintergedanken, was ihren Aufstieg in der „neuen“ Gesellschaft betraf.
Auch wenn Kaiser Konstantin wohl nicht gleich ein gläubiger Christ wurde, er ließ sich erst auf dem Sterbebett taufen, so räumte er der Kirche zunehmend Rechte ein. Er gewährte allen Bischöfen Rechte und Ehren, die bis dahin nur Senatoren und heidnischen Priestern zugestanden hatten. Viele dieser Bischöfe trugen noch die deutlich sichtbaren Spuren ihrer Verfolgung am Leib. Die Verfolgungen unter Diokletian und Galerius waren also noch ganz deutlich präsent, besonders auch auf dem Konzil von Nicäa.
Kaiser Konstantin wurde, nachdem er den oströmischen Kaiser Licinius im September 324 n. Chr. besiegte, zum Alleinherrscher im Reich. Sein großes Anliegen war, das Römische Reich zu einen und zusammen zu halten. Da die Kirche immer wichtiger wurde, lag dem Kaiser daran, auch die dogmatische Einheit, also die Einheit im Glauben der Kirche, zu gewährleisten. Denn es wurden nach dem Ende der Verfolgungen und der Akzeptanz der Kirche große Unterschiede innerhalb der christlichen Gemeinde sichtbar. Dies ist nicht verwunderlich, denn wenn der äußere Feind fällt, werden die inneren Gräben deutlich. Leider gilt dies nicht nur für weltliche Bewegungen, sondern auch für uns Christen. Hier zeigt sich einmal mehr: Es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen. (Röm 3,22+23)
Besonders im Osten des Reiches gab es verschiedene theologische Auseinandersetzungen, die der Einheit des Reiches, wie Konstantin es vorsah, im Weg standen.
Um das Jahr 319 entflammte in Alexandrien, einer schon damals bedeutenden Metropole in Ägypten, ein Streit um die Person Jesu. Das Feuer dieser Auseinandersetzung griff schnell um sich und binnen weniger Jahre erfasste diese „Flamme“ weite Teile der Kirche. Auslöser dieses Streits waren Thesen eines philosophisch und theologisch hochgebildeten Presbyters (Priesters) namens Arius, dessen Predigten in Alexandrien sehr beliebt waren. Da die bedeutenden Differenzen, die in einem späteren Beitrag an dieser Stelle beleuchtet werden sollen, von den Bischöfen und sonstigen kirchlichen Würdenträgern nicht allein gelöst werden konnten, drängte Kaiser Konstantin auf eine einheitliche Regelung der verschiedenen Streitpunkte: eine der Aufgaben des ersten Konzils von Nicäa. Denn aus Sicht Konstantins war die Sicherung des Religionsfriedens eine wesentliche Aufgabe des Kaisers, um seine Politik zu stützen. Deshalb beriefen nicht die Bischöfe oder der Bischof von Rom (der Papst), sondern der Kaiser das Konzil nach Nicäa, dem heutigen Iznik, ein. Die Quellen sprechen davon, dass zwischen 200 und 300 Bischöfe nach Nicäa kamen, dazu durfte jeder Bischof zwei Presbyter (Priester) und drei Diakone mitbringen, sodass durchaus weit über 1000 geistliche Würdenträger an dem Konzil teilgenommen haben dürften. Der römische Bischof entsandte zwei Legaten (diplomatische Vertreter), die später als erste im Namen des Papstes die Konzilsbeschlüsse unterzeichneten.
Die Bedeutung des Konzils ist nicht nur wegen der behandelten Lehrfragen so hoch. Die vorhergehenden Synoden und Konzilien waren regional von Kirchenvertretern selbst organisiert worden ohne entsprechende Möglichkeiten einer Allgemeinverbindlichkeit bzw. Gesetzeskraft der Beschlüsse und deren Durchsetzungsfähigkeit. Das änderte sich jetzt, weil der Kaiser selbst in seiner Autorität die Beschlüsse des Konzils bestätigte und sie somit Gesetzeskraft im ganzen Römischen Reich erhielten. Den innerkirchlichen Streit konnte dieses Konzil allerdings nicht beenden. Noch Jahrzehnte sollte vor allem der „arianische Streit“ die Kirche und auch die Politik im Reich bestimmen. Die Beschlüsse wurden vielfach in Frage gestellt. Die Bischöfe von Nicäa, die damals mit großer Mehrheit die Lehre des Arius ablehnten, waren müde geworden. Sie suchten zunehmend mehr den Kompromiss in der Kirche und zwischen Kirche und Staat als klare Entscheidungen. Erst 381 n. Chr., als die Beschlüsse aus Nicäa durch das erste Konzil von Konstantinopel bestätigt wurden, kehrte etwas Ruhe ein. Dennoch hält sich die arianische Irrlehre bis heute und gerade in den letzten Jahren feiert sie fröhliche Urständ.
Über den Streit, den Arius mit seinen Anschauungen entflammt hatte, soll in einem nächsten Beitrag berichtet werden.